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Alte Steine, altes Holz, Text und Bilder neu

Beim Kunstnachmittag der Gruppe KuajO 

nahm Roswitha Zeeb in ihren Bildern, die sie außen an der Mauer der Kapelle aufgehängt hatte, die Struktur der Steine auf.

 

Hinter dieser Mauer, drinnen, las ich einen ganz neuen Text:

Casa Tua 3.0 Femme Comfort Plus

Zunächst das Positive: Mit dem versprochenen „Comfort“ des Hauses bin ich hochzufrieden. Die Klima-Wahl-Funktion ist intuitiv und leicht zu bedienen, stufenlos regelbar und vor allem in Kombination mit der Visual-Audio-Surround-Option ein Luxus: Von „Frühling in der Toscana“ über „Ozeanischer Strand“ und „Streets of Manhattan“ bis „Gipfelfrische“ bleibt nichts zu wünschen übrig, der Ausblick ist in jedem Fall ästhetisch hochwertig und ein Genuss, Luft und Aroma, Sound, Temperatur dem jeweiligen Ambiente angepasst. Auch die Selbstreinigungsfunktion entspricht der

Beschreibung und übertrifft meine Erwartungen sogar. Ob Brotkrümel auf dem

Tisch oder Rotweinfleck auf dem Parkett, der Sauberkeits-Sensor erkennt und

beseitigt die Störung umgehend. Die Gäste-Funktion verändert den Wohnraum, je

nach Wunsch – „Dance“ gewährt Bodenfreiheit, „Cinema“ gemütliche Polsterreihen

vor vergrößertem Screen.

Nun aber zu dem Feature, das mir die Freude an meinem perfekten Home so verdirbt, dass ich nur noch einen der möglichen fünf Sterne vergeben kann. Es handelt sich um das so genannte „Plus“: Wäre die Garantie noch nicht überschritten, ich würde von meinem Rückgaberecht Gebrauch machen.

Es gibt ja viele begeisterte Rezensionen. Ich kann mir nur vorstellen, dass die Kundinnen, die Casa Tua inklusive Plus anpreisen, dessen wahren Charakter noch nicht entdeckt haben. Stellen Sie sich meine Überraschung, ja, mein Entsetzen vor, als mein „Rob Homie“ bei einem anhaltenden Stromausfall ordnungsgemäß weiterarbeitete! Alle anderen Geräte versagten früher oder später den Dienst, je nach Akkustärke. Rob nicht. Er legte sich wie immer in seine Ladestation, die ihn nun ja aber nicht mit Strom speiste, wie ich wusste. Trotzdem fiel er nicht aus. Ich glaubte zunächst

noch, es müsse eine Erklärung geben. Die gibt es auch, aber sie ist nicht technischer

Art. Schließlich gelang es mir, ihm zu entlocken, was ein Rob Homie den Besitzerinnen niemals preisgeben dürfte: Er ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, und die Nahrungspillen, die er zu sich nimmt, wenn er mir beim Essen Gesellschaft leistet, sind keine Fakes, sondern echte Energiespender. Auch wenn er schläft oder die Toilette benutzt, dann handelt es sich nicht um gekonnte Programmierung, sondern um ganz organische menschliche Bedürfnisse. Ich habe also nun fast zwei Jahre lang meinen Alltag, mein Heim völlig ahnungslos mit einem lebenden Mann geteilt.

Ich bin durchaus traditionsbewusst und bereit, mich auch auf Altes einzulassen. Vielleicht hätte ich sogar in Erwägung gezogen, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen und einen Arbeitsplatz bereitzustellen. Das Versprechen auf pflegeleichte Gesellschaft, die Aussicht, nach dem anspruchsvollen Job ein bisschen einfache Konversation machen zu können, sich über das Wetter, das Streaming-Angebot und manchmal politische Fragen auszutauschen, war ja verlockend. Und ein Rob Homie sollte anzupassen sein: Von konservativ bis gemäßigt links könne er argumentieren, hieß es, je nach Bedarf der Anwenderin. Und das konnte mein „Robbie“, ich habe ihn bis zum Anschlag getestet. Nach zu weit rechts oder links geht es allerdings nicht – vielleicht gibt es, sozusagen unter dem Ladentisch, auch solche Versionen für besondere Bedürfnisse. Jedenfalls, so wie er funktioniert, kann

die Benutzerin stressarme Gemeinsamkeit genießen, und das ist ja der Sinn der Sache – die nur leider keine Sache ist, wie ich herausfinden musste.

Ich bin verwirrt und empört und fühle mich im eigenen Heim nicht mehr behaglich, sondern ständig unter Beobachtung. Rob Homie hat mir versichert, er gebe keine Informationen weiter, aber kann ich ihm glauben? Er hat mir schließlich zwei Jahre lang ein Roboterleben vorzugaukeln gewusst. Ich würde ihn gern entsorgen, aber wie? Soll ich versuchen, ihn zum Wertstoffhof zu bringen und ihn dort seinem Schicksal zu überlassen?

Zusammenfassend muss ich sagen: Fünf Sterne gäbe es von mir für das „Casa Tua Comfort“, aber das „Plus“ sorgt für genau vier Minuspunkte. 

Der Blick aus dem Fenster der Kapelle war allerdings ganz un-virtuell.

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