
Die Ausstellung "Hast du Töne?" der Gruppe KuajO ist bis zur Kulturnacht am 27. September in der Nikolaikirche in Reutlingen zu sehen.
Passend zu meinem Beitrag "Kopfstimmen" las ich zur Vernissage meinen Text
Stimmen
Da ist es, das neue Menschenkind, es schreit. Das erste Lebenszeichen, damit fängt es an.
Es lallt und gluckst und stammelt, ahmt Laute nach, lernt Mama zu verstehen und die Schwester, Papa, die Oma, ihre Stimmen unterschiedlich, sie sagen Silben, Wörter.
Reime und Sprüche hört das Kind, singt von den Entchen, Hänschen-mit-Stock-und-Hut, vom Häschen-in-der-Grube, singt allein und singt mit anderen in der Familie, im Kindergarten.
Es quietscht vor Lachen, brüllt vor Schmerz, flüstert Geheimnisse, behauptet sich lautstark.
Lernen mit Sprache, ohne Wörter geht es nicht.
Schulhof-Getöse spitzer Schreie, Gemurmel von Gruppen, Grüppchen. Schwimmbad und Sportplatz, ein Durcheinander von Anfeuern, Enttäuschung, Jubel.
Klangteppich, Konzert, Kakophonie der Stimmen.
Dann Stille, in der Prüfung schreiben sie die Wörter auf, Federn kratzen auf Papier, ein Räuspern mal, ein unterdrücktes Stöhnen.
Ein Name zum ersten Mal ausgesprochen, dieser Name wird zum Lieblingsklang, wird Lieblingswort für eine Weile. Koseworte, Liebesschwüre, dann Streit, Beschimpfungen, dann keine Worte mehr. Und wieder ein Anfang mit dem Klang eines anderen Namen. Diesmal vielleicht für lange, vielleicht für immer.
All diese Stimmungen in Dur und Moll in Stimmen ausgedrückt, Caruso hat davon gesungen, Edith Piaf, Shakira singt von Leidenschaften und auch Eminem fordert auf – sing for the moment.
Befehle aus der Chefetage. In der Kantine brodelt die Gerüchteküche.
Die Stimme wird erhoben – für eine Welt, in der alle besser leben können. Laute Stimmen für die eine, für andere Seiten.
Der Soundtrack eines Lebens hat leise Stimmen, laute, hat Harmonien, Dissonanzen, hohe Töne oder tiefe.
Und endet mit dem letzten Seufzer.
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