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Ihr Blick fällt auf die Zeitanzeige, als sie gerade umspringt: Null Uhr Null. Wieder Dezember angebrochen, ihr 57. und sicher keiner ihrer besten.
Früher hat sie den Winter geliebt, die Adventszeit. Als Kind, wenn Mama backte. Auch als sie selber Mama einer Tochter war. Zumindest hat sie sich bemüht, hat Teig geknetet mit der Kleinen, die mit dem Feuereifer dabei war, den bei solchen Tätigkeiten angeblich alle Kinder an den Tag legen. Melanie bewies ihr, dass die Klischees, an die sie nie geglaubt hatte, doch wahr sein konnten – das kleine Mädchen backte leidenschaftlich gerne Plätzchen. Ausstechen, einen Stern nach dem anderen, ein Tannenbäumchen, noch eines, Engel. Alles fein säuberlich aufs Blech. Den verbliebenen Teig zusammenkneten, ausrollen, wieder von vorn. Und noch einmal und wieder. Bis dann der allerletzte, inzwischen graue Teigrest endlich im Kindermund verschwunden war.
Dezember geht nun also unvermeidlich wieder los. Sie hievt sich hoch. Das war mal leichter, früher, als sie selbst noch leichter war. Lange her, nun ja. Nicht drüber nachdenken. Das Sofa zum Bett umbauen, im Schlaf den Winter vergessen. Winterschlaf, am liebsten. Aber sie ist ja wieder hellwach. Dann also einen Film anschauen, den heutigen Abend verlängern, den Dezember betrügen. Denn diese Zeit jetzt vor dem Schlafengehen, das ist doch noch der Rest von gestern, vom Novembertag. Na also. Wenn sie lange aufbleibt, fängt morgen der Dezember ein paar Stunden später an. Unschlüssig vorm Regal. Ja, der Piaf-Film. Dabei vergisst sie jedes Mal sich selbst und Raum und Zeit. Gute Idee, die Zeit vergessen. Piaf genießen und bewundern, Edith, ihr großes Vorbild. Also rein mit der DVD, wieder aufs Sofa, zurücklehnen, so tun, als wäre es November.
In die Himmel-und-Hölle-Felder der Kindheit hopsen, in alten Sandburgen graben, auf längst abgeholzte Bäume klettern und der Zeit die Zunge rausstrecken, kalt und rosa vom Erdbeereis von damals - das alles schafft die Erinnerung.
Sibylle Mulot hat im Frühsommer einen Workshop zum Schreiben von Kindheitserinnerungen angeboten und aus den Beiträgen das Buch "Groß werden" zusammengestellt.
Am 3.12.2014 um 20.00 Uhr wird es im Großen Studio der Stadtbibliothek Reutlingen als Reutlinger Buchpremiere präsentiert.
Ich bin darin mit Geschichten von Fine vertreten, die "Immer daneben" ist.
Geschafft. Wieder 30 Tage lang dran geblieben, geschrieben und einen Romanentwurf fertig gestellt:
Playing Jane Austen - das andere Stück
Eine Amateurtheatergruppe versucht sich an einer Bühnenfassung von Jane Austens "Stolz und Vorurteil".
Ab 1. Dezember hier zu lesen:
"24 Tage im Dezember" -
eine Adventskalender-Kurzgeschichte, täglich ergänzt
Mitte November und viele Blätter schon gefallen. Halbzeit im NaNoWriMo und viele virtuelle Blätter beschrieben. Und am Ende des Monats werden die Bäume kahl und wird mein Romanentwurf hoffentlich fertig sein - umgekehrt proportional?
Stories von Heidemarie Köhler und Anke Laufer: flatterhaft, abgründig, eigen.
Freitag, 21. November 2014, 20.00 Uhr
im K'ffeehaus, Kirchentellinsfurt, Am Plon 2
Eintritt 4.00 Euro. Anmeldung im K'ffeehaus unter 07121-1388439
aus meinem Text "Hoch hinaus":
Als Papa packte, musstest du dringend in die Küche, du rührtest deine Sauce, unabkömmlich. Ich krallte mich im Wohnzimmer an seinem Koffer fest, Papa pflückte mich ab, er hob und drückte mich, drückte mir einen Kuss auf die Backe.
Wenn ich früher nach einem Fellini-Film aus dem Kino kam und mich im realen Leben umschaute, sah ich überall Gesichter, wie sie beispielsweise in "Roma" passen würden. Ich nannte das den Fellini-Effekt.
Ähnlich erging es mir nun bei meinem Besuch im Panoptikum der Alraune Siebert in ihrem Hotel Schwanen in Haigerloch, wo alle Räume von skurrilen Wesen bevölkert sind, lebensgroßen Puppen,
"ausgestopft und zugenäht", wie sie schreibt, von ihrer Erschafferin. Der Alraune-Effekt führte dazu, dass ich mir bei jedem Blick ins Gesicht anderer Besucher vorstellte, wie
ich sie aus Stoff formen, wo ich Nähte und Falten setzen würde. Ich überlegte, ob dieser ulkige Zustand bei der Textilkünstlerin Alraune wohl der Normalzustand ist.
... nämlich dem Vorstadttheater Tübingen, zwei Gastspiele:
Am 8.10. lese ich in der "Melange am Mitttwoch" eine Kurzgeschichte.
Weitere Infos zu dieser Veranstaltung:
http://www.vorstadttheater.de/programm.htm
Damit werbe ich gleich für die nächste Veranstaltung dort, an der ich beteiligt bin:
In den Norden reiste ich mit meiner Figur Blandine im Gepäck:
Seewärts
Spitzensaum sekundenschnell in Sand gestickt – gleich wieder weg – am Spitzensaum entlang am Spitzenschaum – den Fuß in feuchten Sand setzen ins Wasser tunken – von Wellen überspült umspielt – einsinken – untergraben werden unterspült – Boden verlieren – taumeln wiederfinden – stehen gehen stundenlang – ihre Fußspuren gelöscht als wäre sie nie da gewesen – hinein dann – waten – langsam erst – noch auf der Hut noch scheu – bis sie sich endlich in die nächste Welle stürzt von Fuß bis Kopf – getragen von der Wasserschaukel im Rauschen Strömen – Schwimmzüge Atemzüge Wellenrhythmus alles passt zusammen
so war es damals immer – wie hätte sie an jenem Tag darauf verzichten können – das Meer so nah wissen aber nicht hinein – Elternbeschluss Ausflug ins Landesinnere – sie musste morgens vorher an den Strand – allein da offensichtlich niemand Verständnis hatte – so früh noch ganz allein – die Strömung seewärts – wie war das möglich – die Wellen spülten doch ans Ufer – trieben sie trotzdem ab – sie ruderte dagegen an mit immer heftigeren Schwimmzügen – verlor den Rhythmus – zappelte verlor die Kraft – schluckt Wasser prustet paddelt
Und danach sind wir nie wieder ans Meer gefahren, sagt Blandine. Sie haben es mir übel genommen.
Franziska nickt. Die Frage ist nur, was, sagt sie.
Es muss wohl dänisch sein das Wort
Wie könnten sonst 3 Wochen See
und Sand und Wind 5 Inseln Dünen
Sonne Regen und so viel Zeit
und so viel Himmel so schnell vorbei sein
schrieb ich am 20.8.2011 in Dyngby vor der Rückreise.
Und freue mich nun darauf, wieder für 2 Wochen dorthin zu fahren, wo die Zeit "im Nu" vergeht. Denn vor der Reise ist ja bekanntlich nach der Reise ist vor ...
Nachwirkung des Schreibspaziergangs "scribitur ambulando":
Den folgenden Text habe ich Blandine in den Mund gelegt, einer Figur, an der ich seit Beginn dieses Jahres arbeite.
... stelle ich mir die Regeln für die geplante Unternehmung "scribitur ambulando" vor, sondern eher locker:
Wir machen einen gemeinsamen Spaziergang bei den Gönninger Seen und an der Wiesaz. Halten mal hier, mal dort. Schreiben, notieren, skizzieren, was uns ein- und auffällt.
Zum "Finale" der Gartenlese laden wir herzlich ein.
Unter dem Titel "Worte tauchen auf" lesen Beatrice Fabricius-Kaán, Elvira Stecher und ich am Sonntag, 13.7.2014 um 14.00 Uhr, am Seerosenteich im Botanischen Garten Tübingen. Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung vor dem Tropicarium oberhalb des Teichs im Trockenen statt.
Drei sehr verschiedene Autorinnen variieren die Themen Wasser und Worte.
Geschafft:
Wo Lampen leuchten oder nicht
Uhren nicht gängige Zeit angeben – oder?
Wo viele Mühlen langsam mahlen oder gar nicht
Ist dort der Mittelpunkt der Welt
Oder ist es der Nabel draußen
Umgeben von konzentrischen Kreisen
Verschmitzt die Drecklach vor dem Haus oder verspritzt
Und wenn die Schrottprinzessin weint kann einer lachen
Im Rahmen ist hier nichts
Sogar die Spiegel schräg
Und bunte Schwellen laden ein ins Gestern
Vorgestern Übermorgen
Heut und Immer
... werden wir am Donnerstag, 3.7.2014, um 14.00 Uhr. Einige, die sich sonst einmal im Monat zum Schreiben im Café treffen, wollen sich dort nach einer Einführung durch Sabine Kramer von diesem originellen Ort anregen lassen.
Mehr darüber auf http://schaffwerk.blogspot.de/
Gäste, die hineinschnuppern und mitmachen wollen, sind herzlich willkommen - bitte möglichst vorher über das Kontaktformular anmelden.
wir sehen ein gitter
durchbrochen von sprache
(Rotraut Schneemann)
Unter diesem Motto lesen Teilnehmerinnen des Tübinger Lyrikseminars von Eva Christina Zeller am 29.6.2014 zur Finissage der Ausstellung "zwei mundvoll schweigen" (mehr dazu unter: Termine)
Hochsommerlich war es gestern bei der "Gartenlese" im Arboretum. So genügsam wie die Kakteen war ich nicht, sondern eher wie Barbara im B-Text meiner alphabetischen Skizzen:
"Betty Bunsen brennt bombigen Birnenschnaps. Barbara bechert begierig. Benita beobachtet beide."
Nur habe ich natürlich keinen Birnenschnaps getrunken, sondern Wasser. Das haben alle reichlich gebraucht, die Lesenden, das Publikum - und die Pflanzen im Botanischen Garten.
"nachtaktiv" - Lesung und Jazz heute Abend im Rahmen der Tübinger Kulturnacht um 20.00 und 21.00 Uhr im Gemeindesaal St. Johannes, Tübingen, Bachgasse 3.
Eintritt mit Kulturnachtbändel
Und so fangen unsere nachaktiven Texte an:
Dirk Brantl: Caceres genoß die Zeit allein auf dem Flur. Es hatte auch Vorteile, ein Hypochonder zu sein.
Heidemarie Köhler: Bewegungsmelder. Die Dinger hat er immer schon gehasst. Und jetzt erst recht. Überfallen einen grell, wenn man arglos ein paar Schritte in der Dunkelheit bloß um sich auszulüften. Nur eine Frage der Zeit, wann so ein Opa der nicht schlafen kann seine Nase raus.
Anke Laufer: Bild 1-3, Nachtaufnahmen. Stativ. ISO 100. Man kann sehen, wie in der Hagrosenhalde die Irrlichter der Taschenlampen über Hauswände gleiten, durch wogende Baumkronen, an dunklen Buchsbaumhecken entlang.
Klaus-Dieter Reichert: Seit Stunden in strömendem Regen unterwegs. Endlich – die Hoffnung war bereits zu einem armseligen Flämmchen verkümmert – die verschwommenen Konturen eines Ortes.
Jutta Schönberg: Murad Arslan parkte den Wagen und schaltete die Scheinwerfer aus. Er freute sich schon, freute sich auf den Staubsauger seines nächsten Kunden. Die Anwaltskanzlei Schröder, Roberts und Müller hatte den besten Staubsauger, den Murad kannte.
... "Musik, Märchen, Meer und Mord"
mit dem Oberkochener Blockflöten-ensemble ...
Wenn Erinnerungen nicht weitergegeben werden, gehen sie verloren.
Das Erzählcafé bietet den Raum und die Zeit für Geschichten von damals und heute, von dort und hier.
Kommen, zuhören, erinnern, erzählen.
Mitteilen.
Lesung am 15.2.2014 um 20.00 Uhr im Frauencafé achtbar Tübingen, Weberstr. 8, mit Gabriele Gutsfeld und Beatrice Fabricius-Kaán
... auch im Winter im Tropicarium in Tübingen.
Dort lesen wir Texte, die von verlorenen und gefundenen Paradiesen handeln, weit weg und manchmal unvermutet ganz nah.
Ein Auszug aus meinem Text "Feige":
Du möchtest zugreifen willst dir nicht die Hände schmutzig machen du lässt sie hängen du bedauerst gehst Feige wendest du dich ab süße paradiesische Verlockung hinter dir Du hättest nicht das Paradies verspielt wie Eva
Aus dem Text "Der Glasflügelfalter" von Beatrice Fabricius-Kaán:
Aus der starren Puppe entschlüpft, breitet er zitternd seine klaren Flügel aus und erhebt sich, nach einem Moment der Stille, wie ein Lichtfunke in die Dichte des Waldes.
Bei seiner ersten Rast, auf einem breiten Blatt, malt sich langsam das bunte Auge eines Chamäleons auf seine hellen Flügel.
Aus dem Text "Glücksfährten" von Elvira Stecher:
"Doch - vor allem musst du alles ganz langsam tun. Schau, wo du hinfasst. Kau - das Blatt, mahle es rechts, mahle es links, drücks an den Gaumen - schmeckt so grüüün! Sonne scheint dir auf den Pelz. Langsam, gehs ganz laaangsam an."
Lesen ist Einatmen,
Schreiben Ausatmen
Auf meinen Baustellen ohne Dreck und Krach wird nicht mal Papierstaub aufgewirbelt, wenn die Texte auf dem Bildschirm entstehen oder die Fotos bearbeitet werden.
Meine Projekte sind Kurzprosa, Romane, Gedichte und Lesungen, außerdem Fotos und die Verbindung von Text und Bild.
Herzlich willkommen zu einem Blick - per Klick - über meine Schulter.