Zum Abschluss der Treffen schreiben wir oft noch etwas Gedichtartiges: ein Haiku, ein Elfchen oder einfach einen (oder mehrere) Dreizeiler. Auch dafür nehmen wir ein Thema, ein Stichwort als Schreibimpuls. Im Februar 2019 schlug jemand "Lyrik" vor. 

Der Beitrag von Sylvia Röhsler dazu: 

Jedes Wort sagt mehr

als das Wort an sich

- das ist Lyrik

 

Mir fiel Orpheus mit seiner Lyra ein:

- Aus der Unterwelt

zurück und doch allein

zerschlägt er seine Lyra

- Noch warten Lamm und Löwe

auf seine Stimme

und die Töne die er spielte

- Doch in der Stille

zerbricht der Bann

der Löwe fletscht die Zähne und

 

 

Am 24.5.2018 brachte Susanne Werner eine ihrer Skulpturen als Schreibimpuls mit. Zu diesen Tanzenden schrieb ich:

 

Sieht ja so aus, als hätten sie viel Spaß, die beiden. Er mit den Füßen fest auf dem Boden, aber sind das auch Tatsachen, worauf Er steht? Er guckt ja gar nicht hin. Auch Sie ist eher abgeneigt. Sie nur mit einem Standbein, das Spielbein schwingt Sie, wirft den Kopf in den Nacken, ihr Haar fliegt. Siehst du nicht, Er, das Monster, das Sie im Hinterkopf verbirgt?  Elefantöse Schnauze, Zotteln, eine Furie. Siehst du nicht, Sie, die Stacheln, die aus seinem Kopf wachsen?  Ein Bild der Harmonie, Balance, ein Tanz? Ein Kampf? Zusammen werdet ihr’s erleben.

 

Weitere Fotos der Skulptur, verschiedene Details und eine andere Perspektive:

Am 17.12.2016 sagte eine Teilnehmerin, das Wort "eigentlich" treibe sie um.

Wir nahmen es als Impuls. Ich schrieb:

 

- Eigentlich könnte er doch einfach aufstehen und gehen – was die Kollegen da wieder verzapften, voll langweilig und

- eigentlich total unwichtig, zumindest alles schon sattsam bekannt und nun zum x-ten Mal wiedergekäut von diesen Profilneurotikern.

- Eigentlich wäre ein Stadtspaziergang doch ein viel besserer Zeitvertreib als dieses Arbeitsessen in der Mittagspause, die doch

- eigentlich Freizeit war.

- Eigentlich tat der Chef immer so kollegial und darauf bedacht, dass seine Mitarbeiter sich nur ja wohl fühlten in der Firma. Aber Wellness bei der Arbeit war

- eigentlich ein völlig bescheuertes Konzept, sah das denn keiner außer ihm? Und

- eigentlich konnte der Chef ja niemand zwingen zu dieser gemeinsamen Mittagspause. Trotzdem saßen sie alle hier und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Jeder versuchte, positiv aufzufallen, und so fiel einer dem anderen ins Wort. Bloß die neue Kollegin schaute ratlos in die Runde. Jetzt stand sie auf.

- Eigentlich, sagte sie, ist die Mittagspause ja meine. Meine eigene, sagte sie und ging.

- Eigentlich hatte sie recht. Er blieb sitzen.

 

 

Am 18.7.13 nahmen wir ein Zitat als Schreibimpuls:

"Der Verstand unterhält sich schlecht, wenn er nicht auf ein Geheimnis stößt" von Rainer Malkowski in "Im Dunkeln wird man schneller betrunken - Hinterkopfgeschichten", Nagel und Kimche Verlag, Zürich, 2000

 

Ich schrieb dazu:

 

Warum ist das so:

Gemahlener Kaffee riecht besser als der fertige Kaffee schmeckt.

Warum auch dies:

Das Wort "Ulme" bringt Saiten in mir zum Klingen, die vor dem Baum völlig unberührt bleiben.

Lieber ein Versprechen als die Erfüllung?

Ist das die Lust des Verführers?

 

Fragen - spannender als Antworten?

 

Mancher stutzt sich die Fragen zurecht, damit sie zu seinen Antworten passen.

 

 

Ein Textbeispiel aus der Anfangszeit des SiC = Schreiben im Café zum Stichwort "In der Spur", November 2011:

 

Jederzeit brav und nur ja nicht auffallen das war Linas Devise gewesen immer schon von jeher Das kam von der Familie anständige Leute waren das der Vater Arbeiter in der Wirkmaschinenfabrik die Mutter in der Wirkerei das passte und Franz der Sohn in der Familientradition er wurde Werkzeugmacher auch er fand seine Stelle in Vaters Fabrik er hatte Frau und Kinder und alles könnte ja es könnte doch Es hätte alles ewig so weitergehen können Sonntagsbraten Kaffeeklatsch der obligatorische Spaziergang zur Mühle runter oder in die andere Richtung zum Jägerhaus besonders an heißen Sommertagen da spendeten die Bäume Schatten ja so waren die Sonntage die wohlverdienten Sonntage immer im Schoße der Familie Vaters Sprüche Mutters Ächzen wenn sie über den Zauntritt stieg alles voraussehbar berechenbar und Lina immer dabei Bloß nicht auffallen nicht rausfallen wollte sie und musste doch von jeher kämpfen dass es nicht auffiel
Die Lehrerin sagte Herr Brandes die Lina die muss doch aber Herr Brandes wollte seine Tochter nicht auf die höhere Schule und es ist ihr erspart geblieben nur schön in der Spur bleiben nicht auffallen und was der Pastor in der Predigt sagte neulich vom Licht unter dem Scheffel nein Lina fühlt sich wohl unter ihrem Scheffel wohlbekannte Dunkelheit da drin vertraute Enge und draußen? So viele Abwege führen da raus Irrwege ihr wird ganz schwindelig Nein Lina bleibt wo sie immer war