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Federlesen

Nicht viel Federlesens? Doch! 

Zum Schreiben im Café brachte ich im Dezember Papierfedern aus alten Buchseiten mit, die wir als Schreibimpuls benutzten. Mein Text:

Da steht zum Beispiel: „Sind viele Fremde dort?“  „Bis jetzt sind glücklicherweise“ – weiter kann ich nicht lesen, mehr will ich gar nicht wissen. Fremde als Stichwort, Fremde als Reizwort: Fremde, die aus einer unbekannten, weit entfernten Fremde kommen, hm, naja, da will man erstmal freundlich sein, man ist ja kein … und andererseits: „Sind viele …“, lautete die Frage. Denn wenn’s nur wenige sind, dann hat man kein Problem damit, dann geht das in der Masse unter, dann fällt das nicht so auf und ist nicht so bedrohlich. Aber viele? Wann fängt das „viele“ an? Bei 3, 10, 87 oder 1000?

Die Fremde allerdings, aus der die vielen Fremden kommen, besucht man doch ganz gern – da fliegt man ein und lernt ein bisschen was davon kennen, die fremde Küche, exotische Gewürze, Gerichte, dort an Ort und Stelle noch nicht so mehr oder weniger dem hiesigen Gaumen angepasst. Fremder eben, besonders. Und das fremde Wetter, die Landschaft – na, deshalb fährt man ja hin, hauptsächlich, oder? Blaue Himmel und Palmen und Strand oder Felsen, Steine, Wüste, oder fast undurchdringliche Wälder, ein bisschen zugänglich gemacht, gerade so viel, wie es gefällt. Die Fremde als Paket und all-inclusive, manchmal sogar die eine oder andere halbwegs echte Begegnung mit den Fremden, die dort nicht fremd sind. Die dich willkommen heißen, wenn du dein Geld mitbringst, oder, so fragst du dich, weil du es mitbringst? Und es ausgibst für ihre fremden Gegenstände, Teppiche, Schalen, Masken, du kaufst so viel, wie du gerade noch unterbringen kannst in deinem Koffer, oder was ganz Besonderes und Großes lässt du auch manchmal schicken. Dann fliegst du wieder nach Hause und da umgibst du dich mit diesem Bisschen globalen Charmes, das du erworben hast, und grüßt vielleicht den türkischen Gemüsehändler – oder ist er Kurde? – du grüßt ihn dann mal extra freundlich, für eine Weile.

„Der Weg ist übrigens nicht zu ver“, steht auch noch auf der Feder. Nicht zu verfehlen, der Weg, soll das wahrscheinlich heißen. Aber welcher? Wohin? 

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